Fabian Bohn
Andrea S. Klahre
Arzt Julian Serly
Lippenherpes-Ratgeber
Kurzfassung
- In Deutschland sind rund 90 Prozent der Erwachsenen mit Herpes-simplex-Viren vom Typ 1 (HSV-1) infiziert.
- Die meisten Menschen erwerben Herpesviren in der frühen Kindheit. Einmal infiziert, nisten sich die Viren ein Leben lang in Körperzellen ein.
- Wenn das Immunsystem schwächelt, werden die Viren wieder aktiv und lösen Symptome aus – oder auch nicht.
- Bei 20 bis 30 Prozent der Virenträger zeigt sich typischweise ein bläschenartiger Ausschlag im Lippenbereich.
- Lippenherpes (Herpes labialis) ist für Gesunde meist ungefährlich, aber unangenehm und hochinfektiös.
- Durch Kontakt mit der Flüssigkeit in den Blasen und über den Speichel durch Tröpfchen- und Schmierinfektion werden die Viren weitergegeben.
- Bei den ersten Anzeichen der Infektion lassen sich durch sofortige Behandlung die Virenvermehrung hemmen und Symptome lindern. Der Fortgang aber lässt nicht verhindern, sondern nur verkürzen.
- Unbehandelt verschwindet Lippenherpes nach etwa zwei Wochen.
- Weil Herpes einfach übertragbar ist, gibt es keinen nachhaltigen Schutz.
Definition Herpesviren
Herpesviren sind allgegenwärtig – und eine große Familie. Zur Gruppe der Humanen Herpesviren (HVV) gehören die Herpes-simplex-Viren Typ 1 und 2 (HSV-1, HSV-2), das Epstein-Barr-Virus, das Varizella-Zoster-Virus, das Zytomegalievirus, das Humane Herpesvirus 6A, 6B und 7 und das Kaposi Sarkom-assoziierte Herpesvirus.
Krankheiten, die diese Herpesviren auslösen, sind neben Lippen- und Genitalherpes unter anderem das Pfeiffersche Drüsenfieber, Windpocken und Gürtelrose oder Krebserkrankungen. Die dazugehörenden Symptome sind inzwischen zwar meist gut behandelbar, außer Gefecht setzen lassen sich die Herpesviren jedoch nicht; sie sind schlauer als das Immunsystem.
HSV-1
Es ist das wahrscheinlich bekannteste Herpesvirus: Mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) sind laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zwei Drittel der Weltbevölkerung infiziert. In Deutschland sollen es rund 90 Prozent sein; die meisten wissen es nicht, da eine Infektion meist asymptomatisch verläuft und damit folgenlos bleibt.
Gefährlich werden kann HSV-1 allerdings für Säuglinge und Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem, da sie Schwierigkeiten haben, die Viren unter Kontrolle zu halten. Bei
- Neugeborenen mit einer natürlicherweise noch gar nicht vorhandenen Immunabwehr können die Viren schwere Infektionen bis hin zur (tödlichen) Blutvergiftung auslösen
- Patienten nach einer Transplantation können verschiedene Organe schwer geschädigt werden
- Patienten auf Intensivstationen kann es lebensbedrohliche Lungenentzündungen verursachen
Und bei Gesunden sind sie in seltenen Fällen für eine Gehirnentzündung (Herpes-Enzephalitis) verantwortlich, die oft bleibende Gehirnschäden nach sich zieht.
Übertragung
Weil Herpes einfach übertragbar ist, gibt es keinen nachhaltigen Schutz. Die Infektion erfolgt vorwiegend
- über den Speichel durch Tröpfcheninfektion, z. B. beim Sprechen, Niesen, Husten
- durch direkten Hautkontakt mit den virengefüllten Bläschen oder abheilenden Geschwüren, z. B. beim Küssen
- über den Speichel durch Schmierinfektion, z. B. bei gemeinsamer Nutzung von Trinkflaschen, Gläsern, Handtüchern, Waschlappen, Gabeln
- durch Berührung, wenn die Hände vorher an einer betroffenen Hautregion waren und nicht gründlich gewaschen wurden
Erstinfektion
Die meisten Menschen erwerben HSV-1 in früher Kindheit – vor dem sechsten Lebensjahr –, üblicherweise und unwissentlich durch den Speichel der Eltern. Das Virus dringt über winzige Haut- oder Schleimhautschädigungen ein, infiziert die Hautzellen und vermehrt sich an Ort und Stelle. Die Erstinfektion bleibt häufig unbemerkt, selten kommt es zu einer Entzündungsreaktion.
Nach der Erstinfektion wandern die Viren an den sensorischen Nerven – diese übermitteln Reize wie Schmerz, Licht, Temperatur ans Zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) – entlang in die Knoten (Ganglien) bestimmter Nervenzellen im Gesichtsbereich, nisten sich dort dauerhaft ein und begeben sich in eine Art Dornröschenschlaf, sodass sie vom Immunsystem des Infizierten nicht erkannt und attackiert werden können. Nach allen Regeln der Kunst tricksen HSV-1 das Immunsystem aus.
Erst unter besonderen Umständen werden sie wieder aktiv: wenn äußere Faktoren auf die Nervenknoten einwirken, in den sie ruhen. HSV-1 ist hauptsächlich für Lippenherpes (Herpes labialis) verantwortlich, kann grundsätzlich aber auch Genitalherpes hervorrufen. Das geschieht immer häufiger.
Reaktivierung
Das Virus kann aus der „Schlummerphase” (Viruslatenz) erwachen, wenn die Nervenknoten, in denen es ruht, von externen Faktoren provoziert werden. Dann wandert es zurück an den Ort des ersten Geschehens und wird hyperaktiv: repliziert beziehungsweise vermehrt sich hemmungslos und sorgt für Symptome – oder auch nicht.
Auslöser
Wenn HSV-1 Symptome auslösen, entsteht eine Re-Infektion vor allem aufgrund eines geschwächten Immunsystems. Als Auslöser gelten:
- Fieber
- Infektionen wie Erkältungen oder Grippe
- Intensive Sonnen-/UV-Strahlung
- Hormonschwankungen, bei Frauen z. B. während der Menstruation, Schwangerschaft
- Starker körperlicher und psychischer Stress
- Immer häufiger orale Sexpraktiken
Symptome
Symptom | Beschreibung |
Kribbeln, Jucken, leichtes Brennen, Spannungsgefühl auf oder an den Rändern der Lippen (Prodromalphase) | Erste Anzeichen, sie können wenige Stunden bis zu ein oder zwei Tagen andauern |
Entzündliche Rötung und Bläschenbildung (Papulaphase) | Die Haut rötet sich und eine oder mehrere kleine mit Flüssigkeit und Viren gefüllte Blasen bilden sich auf einer Seite der Lippe; sie können sich auch auf anderen Haut- und Schleimhautarealen ausbreiten: in der Mundhöhle, auf den Wangen, Augen, Ohrläppchen, Fingernägeln, an der Nase. Bei Neurodermitis oder Schuppenflechte können große Hautregionen betroffen sein |
Müdigkeit und Abgeschlagenheit | Da die Infektion häufig im Zusammenhang mit einem geschwächten Immunsystem ausbricht, fühlen sich viele Betroffene müde und erschöpft |
Geschwollene Lymphknoten | Mitunter sind die zugehörigen Lymphknoten geschwollen |
Geschwürbildung (Ulzerationsphase) | Nach einem bis mehreren Tagen platzen die Bläschen auf oder reißen beim Sprechen und Essen ein. Die Wunden sind schmerzempfindlich, vor allem beim Kontakt mit säurehaltigen Lebensmitteln. Die Bläschen bilden gelbliche Krusten und heilen nach circa zehn Tagen narbenfrei ab. Wenn Bakterien in die Geschwüre eindringen, können die Symptome länger dauern und intensiver sein |
Die Bläschen und Geschwüre sollten nicht berührt werden. Falls es doch passiert, waschen Sie die Hände bitte sofort intensiv mit Seife. Während eines Lippenherpes gilt: Küssen und Oralsex verboten.
Die meisten Menschen bilden nach einer Infektion Antikörper gegen das Virus. Doch damit ist die Infektion nicht ausgestanden, denn die Viren ruhen weiter in einzelnen infizierten Zellen – bis zur nächsten Reaktivierung.
Wann zum Arzt?
Wer regelmäßig mit Lippenherpes zu tun hat, erkennt die lästige Virusinfektion meist schon am ersten Kribbeln. Normalerweise ist der weitere Verlauf zwar unangenehm, jedoch nicht gefährlich. Ein Arztbesuch ist in aller Regel nicht nötig.
Ein Termin beim Hausarzt, Hautarzt (Dermatologe) oder Kinderarzt ist sinnvoll, wenn
- HSV-1-Infektionen mehr als sechsmal pro Jahr auftreten
- länger als zwei Wochen dauern
- von Fieber und anderen untypischen Komplikationen begleitet werden
- eine bakterielle Infektion die Symptome in der Heilungsphase zusätzlich verstärkt
Bestimmte Risikogruppen gehören mit einem Lippenherpes immer zum Arzt und sollten keine Selbstmedikation betreiben, zum Beispiel:
- Patienten unter Chemotherapie
- krankheitsbedingt immungeschwächte Patienten, z. B. solche mit einer HIV-, Krebs-, Autoimmunerkrankung
- Schwangere und Stillende
Die Diagnose erfolgt üblicherweise als Blickdiagnose, gelegentlich wird ein Abstrich oder eine Blutuntersuchung gemacht, um den Virustyp zu bestimmen.
Behandlung
Herpes ist nicht heilbar. Und: Auch ohne Therapie verschwindet die HSV-1-Infektion nach etwa zwei Wochen wieder. Möglich ist nur eine Behandlung der Symptome, meist mit antiviralen Medikamenten (Virustatika), sie können die
- Virusvermehrung hemmen
- Krankheitsverläufe verkürzen
- Symptome lindern
- Häufigkeit von erneuten Infektionen und die Dauer der Schübe verringern
Behandlungen | Beschreibung |
Antivirale Cremes, Salben oder Gele zum Auftragen | Enthalten die Wirkstoffe Aciclovir, Penciclovir oder Foscarnet. Die Bläschenbildung kann verhindert und somit der Krankheitsverlauf verkürzt werden. Bei den ersten Anzeichen werden sie alle zwei bis drei Stunden auf die betroffenen Stellen aufgetragen |
Desinfizierende Cremes und Gele | Verhindern nicht die Bildung der Blasen, sondern sorgen dafür, dass die austrocknen und abheilen |
Heilerde, Honig | Trocknen die Herpesbläschen aus und beschleunigen ihre Heilung |
Zinksulfatsalbe, Zitronenmelissenextrakt | Mild desinfizierende Inhaltsstoffe können die allgemeinen Symptome mildern |
Biotee aus der Eberraute | Die Eberraute gehört zu den Wermutpflanzen, ist ein heimisches Strauchgewächs und als Tee ein Heilmittel aus der traditionellen Medizin. Wird vorbeugend und therapeutisch gegen virale Erreger wie Herps simplex getrunken. Erhältlich in Apotheken |
Bestimmte Risikogruppen erhalten Infusionen.
Es besteht auch die Möglichkeit einer prophylaktischen Dauertherapie mit einem niedrig dosierten antiviralen Medikament.
Fragen und Antworten
Wie oft bricht Lippenherpes aus?
Bei den meisten ein- bis zweimal im Jahr, bei einigen häufiger.
Wie lange ist Lippenherpes ansteckend?
Die Viren befinden sich in der klaren gelben Flüssigkeit im Bläschen. Solange diese noch nicht vollständig abgeheilt sind, besteht Ansteckungsgefahr. Am größten ist die Gefahr in den ersten drei Tagen.
Wie kann ich mich vor Ansteckung schützen?
Durch strenge Hygienemaßnahmen: kein gemeinsames Benutzen von Geschirr und Handtüchern. Wenn Sie Leute mit Lippenherpes kennen, können Sie einer Ansteckung gut aus dem Weg gehen, indem Sie direkte Haut- und Schleimhautkontakte beziehungsweise Berührungen vermeiden.
Wie kann ich verhindern, dass das Virus ausbricht?
Indem Sie Ihr Immunsystem maximal stärken: gegen UV-Strahlung hohe Lichtschutzfaktoren verwenden, Stress reduzieren, sich abwechslungsreich und gesund ernähren, ausreichend schlafen, Sport treiben. Wenn Sie regelmäßig unter Lippenherpes leiden, werden Sie schnell merken, in welchen Situationen sich die Bläschen blicken lassen. Hier hilft eine Analyse der Hintergründe, die Ergebnisse können Sie aus Ihrem Lebensstil verbannen.
So kann TeleClinic helfen
In einem Online-Arztgespräch erhalten Sie in wenigen Minuten eine individuelle Beratung und könnnen gerade bei Lippenherpes schnell ins Geschehen eingreifen. Passende Gels, Cremes oder Salben sollen direkt bei den ersten Anzeichen auf die betroffenen Stellen aufgetragen werden. Ihr Rezept erhalten Sie nach dem Arztgespräch direkt per App und können es in einer Apotheke in Ihrer Nähe einlösen oder das Medikament nach Hause liefern lassen. Bei Bedarf erhalten Sie auch eine Krankschreibung, bequem & schnell per App.
Quellen
- https://www.apotheken-umschau.de/Lippenherpes
- https://www.aerztekammer-bw.de/20buerger/30patientenratgeber/g_m/herpes.html
- https://www.gesundheitsinformation.de/lippenherpes.2604.de.html
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/47099/Honig-oder-Acyclovir-bei-Herpes-simplex
- https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/die-tricks-der-herpes-viren-entlarven-6119.php
- https://www.helmholtz-hzi.de/de/wissen/wissensportal/keime-und-krankheiten/herpesviren/
- https://cme.mgo-fachverlage.de/education/469
- https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/herpes-simplex
- https://www.thieme.de/de/gesundheit/eberraute-tee-21482.htm
- Zuletzt aktualisiert: 11. März 2024
Dieser TeleClinic-Ratgeber wurde nach höchstem wissenschaftlichen Standard von unseren Medizinredakteuren verfasst. Die Artikel sollen Ihnen lediglich Erstinformation zu diversen Themen bieten und können keine ärztliche Diagnose ersetzen. Gerne beraten Sie erfahrene Ärzte weiterführend in einem Online-Arztgespräch.