Ratgeber zu Novalgin®
Gegen starke Schmerzen und hohes Fieber
Novalgin® ist ein verschreibungspflichtiges Präparat gegen starke Schmerzen und hohes Fieber, wenn jeweils andere Maßnahmen nicht helfen. Es wird seit rund 100 Jahren nach Operationen und bei Tumorschmerzen eingesetzt. Der Wirkstoff Metamizol ist das stärkste nicht-opioide Schmerzmittel und ist daher nicht geeignet für die Therapie leichter oder mäßig starker Schmerzen. Metamizol ist kein Opioid und fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, die Einnahme ist aber mit seltenen schweren Nebenwirkungen verbunden. Ein Arzt stellt ein Online-Rezept unter strikter Berücksichtigung der Indikationen aus.
Kurzfassung
- Die Substanz Metamizol gehört zur Gruppe der nicht-opioiden Schmerzmittel und hat hier die höchste schmerzstillende/-lindernde und fiebersenkende Wirkung.
- Die Anwendungsgebiete sind begrenzt auf akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen, Gallen- und Nierenkoliken, Tumorschmerzen und hohes Fieber, wenn andere Maßnahmen nicht eingesetzt werden dürfen oder nicht wirken.
- Nicht geeignet ist Metamizol gegen leichte bis mäßig starke Kopf-, Zahn-, Menstruations- oder Rückenschmerzen.
- Selten bis sehr selten kommt es zu Überempfindlichkeitsreaktionen, die allerdings lebensgefährlich sein können. Beispiele sind allergisch und nicht allergisch bedingte Blutdruckabfälle bis hin zum lebensbedrohlichen Schock sowie eine Störung der Bildung bestimmter weißer Blutkörperchen, wordurch sich das Risiko für schwere Infektionen bis zur Blutvergiftung (Sepsis) erhöht.
- Aufgrund der Nebenwirkungen ist die Substanz in zahlreichen Ländern verboten, unter anderem in Skandinavien, England, Kanada, Frankreich, Irland, Großbritannien, den USA.
- In Deutschland soll Metamizol laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Paul-Ehrlich-Institut und Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) nur kurzfristig und strikt innerhalb der Indikationen verordnet werden. Dennoch ist die Einnahme außerhalb der Anwendungsgebiete weit verbreitet.
- Vor der Verordnung soll eine Aufklärung zu Risiken und Nebenwirkungen erfolgen.
Wie wirkt Novalgin®?
Die Substanz Metamizol gehört zur Gruppe der nicht-opioiden Schmerzmittel (Analgetika) und hat hier die höchste schmerzstillende/-lindernde und fiebersenkende Wirkung. Obwohl Novalgin® schon seit 1922 auf dem Markt ist, konnte der genaue Wirkmechanismus bis heute nicht ganz geklärt werden. Studien zeigen, dass Metamizol die Ausschüttung von Schmerzbotenstoffen (Prostaglandinen) hemmt. Außerdem scheint Metamizol in denselben Systemen zu wirken wie Opioide und Cannabinoide.
Die Substanz gibt es außer unter dem Handelsnamen Novalgin® unter weiteren Namen und in verschiedenen Zubereitungen:
- Oral als Tabletten, Brausetabletten und Tropfen
- Rektal als Zäpfchen
- Parenteral als intravenöse Injektionslösung
Nach intravenöser Gabe ist die Substanz bereits nach 15 Minuten nicht mehr im Blut nachweisbar. Als Tropfen oder Tablette erreicht der Arzneistoff nicht das Blut, sondern wird schon im Verdauungstrakt gespalten und der eigentliche Wirkstoff wird freigesetzt.
Zäpfchen und Tropfen sind ideal für Patienten, die Schwierigkeiten beim Schlucken von Tabletten haben. Bei starken Schmerzen und Koliken ermöglicht die Injektion hohe Dosierungen. Die Injektion ist nur zugelassen, wenn eine orale oder rektale Gabe nicht möglich ist.
Anwendung in engen Grenzen
Kombinationspräparate mit Metamizol wurden 1987 verboten, gleichzeitig wurden für Monopräparate die Anwendungen begrenzt auf
- akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen
- schmerzhafte Koliken der Gallen- und Harnwege
- Tumorschmerzen
- sonstige akute oder chronische starke Schmerzen, wenn andere Medikamente nicht gegeben werden dürfen oder nicht helfen, zum Beispiel Paracetamol, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Opioide
- hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht
Diese Maßnahmen sollten zumindest in Deutschland eine breite Anwendung auch bei leichten und mittelstarken Schmerzen an Kopf, Zähnen und Rücken verhindern, da potenziell lebensgefährliche Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten können. Das passiert selten bis sehr selten, vermutlich deshalb scheint das real existierende Gefährdungspotenzial für Leib und Leben nicht jedem Arzt bewusst und nicht jedem Patienten bekannt zu sein.
Denn während die Substanz aufgrund der Nebenwirkungen in zahlreichen Ländern nicht mehr auf dem Markt ist – unter anderem in Skandinavien, England, Kanada, Frankreich, Irland, Großbritannien, den USA –, wird sie in Deutschland auch außerhalb der spezifischen Anwendungsbeschränkungen fleißig verordnet (Off-Label-Use). Entsprechend ist in den vergangenen Jahren die Zahl unerwünschter Wirkungen deutlich gestiegen.
Der behandelnde Arzt hat hier eine Sorgfaltspflicht: Gemäß Arzthaftungsrecht soll er seine Patienten umfassend über Risiken und Nebenwirkungen aufklären und engmaschig untersuchen. Andernfalls hat er im Schadensfall ein Problem.
Bei ambulant eingesetztem Metamizol ist besondere Vorsicht geboten.
Nebenwirkungen und Risiken
Selten und gefährlich: Agranulozytose
In Einzelfällen kann Novalgin® die Bildung der Granulozyten im Blut stören, das ist die zahlenmäßig größte Untergruppe der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Granulozyten sind als Teil der Immunabwehr für die Bekämpfung von Infektionen elementar, die durch Bakterien, Pilzen oder Parasiten verursacht werden. Sinkt die Zahl der Granulozyten unter einen bestimmten Messwert (unter 500 Zellen/µ), heißt das Krankheitsbild dazu Agranulozytose und meint einen nahezu vollständigen bis vollständigen Mangel an Granulozyten im Blut. Dieser kann tödlich enden, da das Risiko für schwere Infektionen bis hin zur Blutvergiftung (Sepsis) steigt.
Bei diesen ersten Beschwerden gehören Sie sofort unter ärztliche Obhut:
- Schlechtes Allgemeinbefinden
- Fieber und Schüttelfrost
- Entzündungen im Bereich der Schleimhäute mit Halsschmerzen
Das Risiko für eine Agranulozytose steigt, wenn Metamizol länger als eine Woche angewendet wird. Daher soll das Blutbild einschließlich Differentialblutbild während der Behandlung regelmäßig kontrolliert werden.
Zu den seltenen bis sehr seltenen Nebenwirkungen (kann bis zu 1 Behandelten von 1.000 bzw. bis zu 1 Behandelten von 10.000 betreffen) von Metamizol gehören
- leichte bis schwere Überempfindlichkeitsreaktionen beziehungsweise immun-allergische Reaktionen wie Nesselsucht, Luftnot durch krampfartige Verengungen der Atemwege, Blutdruckabfall (Hypotonie), instabiler Kreislauf bis Kreislaufversagen (anaphylaktischer Schock), Hautreaktion mit großflächiger Blasenbildung (Stevens-Johnson-Syndrom), Hautablösungen (Lyell-Syndrom)
- psychische Veränderungen wie Unruhe, Konzentrationsschwächen, Sprachstörungen, Verwirrtheit, Depression, Angst, Halluzinationen
- Störungen des Magen-Darmtrakts mit Übelkeit, Erbrechen, Magenblutungen
- akutes Nierenversagen
- Leberschäden
Gefährdet sind Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen:
- Niedriger Blutdruck oder erhöhtes Risiko hierfür
- Allergien und Asthma
- Koronare Herzkrankheit (KHK)
- Nierenleiden
Gegenanzeigen
Nicht verordnet werden darf Metamizol bei
- niedrigem Blutdruck (Hypotonie)
- instabilem Kreislauf
- Störungen des blutbildenden Systems
- Mangel an Körperwasser bzw. Flüssigkeitsmangel (Dehydration)
- Schwangerschaft und Stillzeit
Fragen und Antworten
Ist Novalgin® auch für Kinder geeignet?
Bei entsprechenden Beschwerden stehen für Kinder ab vier Jahren Novalgin Zäpfchen mit geringer Wirkstoffmenge zur Verfügung.
Sind Autofahren oder das Bedienen von Maschinen nach der Einnahme erlaubt?
Bei normaler Dosierung beeinträchtigt das Medikament das Reaktionsvermögen nicht. Bei hohen Dosen sollte auf das eine wie das andere verzichtet werden.
Quellen
- https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/DSM/Archiv/2017-37.html
- https://www.aekno.de/fileadmin/user_upload/RheinischesAerzteblatt/Ausgaben/2017/2017.05.028.pdf
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-322006/metamizol-renaissance-eines-analgetikums/
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-2-2018/wie-gefaehrlich-ist-metamizol
- https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/referrals/metamizole-containing-medicinal-products
- https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RI/2009/RI-metamizol.html
- https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2020/rhb-metamizol.pdf?__blob=publicationFile&v=1
- https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/metamizol/
- https://mein.sanofi.de/produkte/Novalgin/Downloads?id=bf3f0b57-22b4-4587-be2d-32103f299cb6
Fabian Bohn
- Zuletzt aktualisiert: 28. Dezember 2023
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